Das Wissen über Trauma und viele Erfahrungen haben meine Sicht auf die Welt wesentlich verändert.

Was bedeutet Trauma?

Trauma heißt übersetzt Wunde oder Verletzung. Es entsteht, wenn ein Erlebnis in seiner Stärke und Intensität die Verarbeitungs- und Bewältigungsfähigkeit eines Menschen übersteigt.

In traumatischen Situationen erleben Menschen tiefe Gefühle von Ohnmacht, Lebensbedrohung, Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein. Die Folgen setzen sich vor allem im Nervensystem fest und führen fast immer zu einem anhaltenden Verlust von Sicherheit, einer zerbrochenen Verbindung zum eigenen Selbst, den Mitmenschen und der Welt.

Lange Zeit verstand man unter dem Begriff Trauma ausschließlich Folgen eines nicht verarbeiteten einzelnen großen Erlebnisses wie z. B. einer Naturkatastrophe, eines Überfalls, dem plötzlichen Verlust eines Menschen, eines Unfalls oder ähnlichem.

Heute weiß man, dass es weit mehr Traumaarten gibt, wie z. B. komplexe Traumatisierungen in der Kindheit, welche tiefgreifende Wirkungen auf die Entwicklung eines Menschen haben können und v. a. auf der Bindungs- und Beziehungsebene stattfinden.

Situationen und Umstände, die auf den ersten Blick nicht traumatisierend zu sein scheinen und vermeintlich kleine Ereignisse, können durch ihre Wiederholungen und ihre Dauer tiefe Muster, Überzeugungen und somit Traumafolgestörungen hinterlassen.

Wie entsteht Kindheitstrauma und wie wirkt es sich im späteren Leben aus?

Viele Menschen wissen nicht, dass die Symptome unter denen sie heute leiden Traumafolgen sind, welche aus Komplextraumatisierungen in der (frühen) Kindheit stammen, da sie das was sie in ihrer Kindheit erlebten als “normal“ bewerten und / oder die Erlebnisse auf einer bewussten Ebene nicht mehr erinnerbar sind.

Erlebnisse und Erfahrungen, die wir in unserer frühen Kindheit machen, können wir auf Verstandesebene nicht erinnern, da das Gehirn zu dieser Zeit nicht voll ausgereift ist und sich noch entwickelt. Das bedeutet jedoch nicht, dass all die Erfahrungen aus dieser Zeit nicht mehr vorhanden sind. Diese Erinnerungen sind auf Körperebene gespeichert und wirken sich noch heute auf unser Erleben, Fühlen und Handeln aus.

Kinder haben die überlebenswichtige Fähigkeit, sich an ihre äußeren Umstände anzupassen und schnell zu lernen, um in ihrem sozialen Umfeld leben zu können und mit ihren Bezugspersonen verbunden zu sein. Das Bedürfnis nach Bindung zählt zu unseren tiefsten menschlichen Grundbedürfnissen.  Alles, was Kinder in den frühen Jahren erleben, was man ihnen über sie selbst erzählt und zeigt, ist ihre Realität. In dieser Zeit entstehen tiefe Überzeugungen über das eigene Sein und den eigenen Wert, welche geprägt sind von dem, was sie von ihren Bezugspersonen über sich lernen.

Wenn Kinder in ungünstigen, destruktiven Umständen aufwachsen, die von emotionaler Gewalt wie z. B. Abwertung, Beschämung, Bestrafung durch Liebesentzug, Demütigung, Schweigen, Nichtbeachten, fehlendem Schutz, Verlusterfahrungen, Vernachlässigung, sexualisierter Gewalt oder körperlicher Gewalt geprägt sind, entstehen traumabedingte Glaubenssysteme.

Glaubenssysteme enthalten Gefühle, Überzeugungen und Bewertungen und sind im Nervensystem gespeichert.
Diese Systeme sind zum einen eine Anpassungsleistung an das Umfeld, zum anderen entwickelt sich aus ihnen das Selbstbild.

Menschen, die emotionale Gewalt in ihrer Kindheit erlebt haben, haben schon früh im Leben die Erfahrung einer nicht sicheren Bindung machen müssen und haben viel Falsches über sich, die Welt und ihre Mitmenschen gelernt.

Häufig erleben die Betroffenen im späteren Leben diffuse Gefühle, die sie nicht zuordnen können, intensive überwältigende Zustände oder Verhaltensmuster, die sie selber als belastend empfinden.
Sie erleben Beziehungen immer wieder als kompliziert, schwanken zwischen einem “zu viel“ an Nähe und Rückzug, haben Schwierigkeiten Grenzen zu setzen und für diese einzustehen, haben Angst davor ihre Bedürfnisse zu kommunizieren, leiden unter Depressionen, einem geringen Selbstwert, Unruhe, Schlafstörungen, Angstzuständen, … um einige Beispiele zu nennen und sind anfällig für Süchte (wie z. B. nach Substanzen, Medien, Sport, Essen, …) um Gefühle von innerer Leere zu kompensieren oder um verdrängten Gefühlen keinen Raum zu geben.

Diese Muster, Verhaltensweisen und Kompensationsstrategien können Folgen traumatischer Erfahrungen sein und stehen in einem engen Zusammenhang mit dem Nervensystem.
Die Betroffenen wollen ihr Verhalten ändern, sich anders fühlen, kämpfen gegen Symptome und oft wünschen sie sich einfach anders zu sein – ein Wunsch, der so sehr verständlich ist.

Eine ganz wundervolle Nachricht ist, dass es nie zu spät ist um etwas zu verändern und das, was bisher nicht verarbeitet wurde, zu integrieren.

Unser Gehirn und unser Nervensystem haben die Fähigkeit, sich ein Leben lang zu verändern und zu lernen. Somit ist es uns möglich, auch nachträglich auf allen Ebenen zu erfahren, was wirkliche Sicherheit und Verbundenheit bedeuten kann.

Alles in unserem Leben, das in uns etwas berührt und zu uns gehört, lässt sich nicht loswerden oder wegschieben. Für alles, was wir fühlen, wie wir uns verhalten – auch wenn es noch so unsinnig, widersprüchlich oder destruktiv scheint – gibt es einen guten Grund. Es war vermutlich früher einmal eine lebensrettende Strategie, um überwältigende Situationen zu überleben, um Gefühle, die nicht auszuhalten waren, nicht zu fühlen und hat seine Berechtigung.

Wenn wir gegen etwas kämpfen oder es loshaben wollen, blockieren wir die Möglichkeit zur Heilung.
Was jetzt da ist, möchte gesehen und integriert werden.

Traumasensible Prozessbegleitung

Eine traumasensible Prozessbegleitung ist keine Traumatherapie. Es ist nicht notwendig mit Traumainhalten zu arbeiten. Sich den Folgen aus diesen Erfahrungen zuzuwenden – also dem, was jetzt da ist, was jetzt gefühlt wird, was jetzt gesehen und integriert werden möchte – kann heilsam sein.

Was bedeutet Integration?

Integration ist das Gegenteil von Verdrängung, Ausschluss und Entfremdung. Sie ist verbindend, heilsam und bedeutet trotz Verletzungen wieder ein wahrhaftiges Erleben von Ganzheit zu empfinden. Dies geschieht nicht von heute auf morgen, sondern in Prozessen, durch die es auf eine sanfte Weise und mit Geduld möglich ist, aus alten Mustern heraus zu heilen.

Wenn das, was im Inneren verletzt wurde, anerkannt wird und einen Platz in Sicherheit & Zuwendung bekommt, dann entsteht Raum für Heilung und Integration – es kann sich nachhaltig verändern und zu mehr Sicherheit, Lebensqualität, Selbstvertrauen, Entspannung und in die Kraft der Selbstregulation führen.

Was ist Selbstregulation?

Selbstregulation ist die Fähigkeit, mit eigenen intensiven Gefühlen und Zuständen umzugehen und sie zu regulieren, ohne davon überflutet zu werden.
Durch eine gelingende Selbstregulation können wir uns dem eigenen inneren Erleben liebevoll zuwenden, ohne die Gefühle und Empfindungen die da sind zu unterdrücken, in ihnen verloren zu gehen oder sie zu bekämpfen.

Selbstkontrolle, Funktionieren und Gefühle gut unterdrücken zu können hingegen sind Kompensationsstrategien und das Gegenteil von Selbstregulation.

Warum ist der Körper so wichtig?

Unser Körper war und ist unser Leben lang in jedem Moment dabei und so haben Traumafolgen immer auch einen körperlichen Bezug. Eine Arbeit allein am Verhalten reicht deshalb nicht aus. Wahrhaftig empfundene Sicherheit lässt sich nicht mit dem Verstand erzeugen und kann man niemandem einreden, daher ist es so wichtig den Körper und das Nervensystem in die Arbeit mit einzubeziehen.

Das Anliegen ist es, Menschen wieder in ihre Lebenskraft, Selbstwirksamkeit & ihr authentisches Sein zu begleiten, die Sprache des Nervensystems und sich selbst besser zu verstehen.
Dazu gehört, Kapazitäten für verschiedene Erlebnisqualitäten zu vergrößern, den Zugang zum Körper und den Gefühlen zu finden und ein Leben in Verbundenheit mit gesunden, lebendigen Beziehungen zu führen.

Ich bin überzeugt davon, dass es in jedem Menschen einen unversehrten, heilen inneren Kern gibt und eine Lebenskraft existiert, die stärker ist als alles, was uns in unserem Leben widerfahren ist.